Zur genauren Kenntniss des Nervus opticus, namentlich dessen intraocularen Endes : eine anatomische Studie für die Ophthalmoskopie / von Dr. von Ammon.

  • Ammon, Friedrich August von, 1799-1861.
Date:
[1844]
    Gefässstämme liegen auf der Lamina cribrosa und zwar auf und in ihr intraocular in vieles Bindegewebe gebettet. Durch und innerhalb der Sehnerven gehen sonach die Gefässe, die für die Netzhaut und für ihn selbst bestimmt sind. Es verzweigen sich ausserdem viele kleine Nerven und Arterien auf der äusse- ren Fläche des Neurilema proprium und auf dessen sich ein- wärts kehrendem Theile und treten so in das Parenchym des- selben ein, was man auf Durchschnitten derselben deutlichst gewahrt (Fig. 14. 15. 16.). Die Gefässe des Neurilems des Seh- nerven und des letzteren selbst kommen von der inneren Fläche der sehnigen Scheide, auf der sie als Aeste der Ophthalmica sich zunächst verzweigen. Die Venen haben ein mehr breites Lumen, die Arterie ein mehr rundes; jene liegen meistens in einer stärkeren zelligen Gefässscheide als jene. Wo ich auf Sehnervensegmenten Spalten für den Ein- oder Austritt der Gefässe vereinzelt fand, habeich sie meistens am unteren Theile des Sehnerven liegend gesehen, was dieselben offenbar als Rudimente der grossen Fötalspalte des Sehnerven erkennen lässt, durch die ja auch der Hauptstamm der Centraiarterie in den Sehnervenkörper eintritt. Kleinere Arterienramificati- onen, die in der beschriebenen Weise von aussen nach innen in den Sehnerven gelangen, habe ich nie bis zu dem Haupt- stamme der Centraiarterie dringen und sich mit ihm vereinigen gesehen; sie verlieren sich meistens innerhalb der Seitentheile des Sehnervenparenchyms, in die sie eingetreten sind, und sie verzweigen sich in allen Theilen desselben, die um den Län- gencanal gelagert sind, seitwärts, aufwärts, und gegen das Chiasma zu, und sind die Vasa nutrientia des Nervenkörpers. Sie sind auch pathologisch wichtig, denn sie sind die Quelle von Exsudaten und Blutungen. Untersucht man auf Querdurch- schnitten eines in Chromsäure verhärteten Nervus opticus den Durchmesser des sogenannten Centralcanales, d. h. die Stelle, wo die grossen Gefässe liegen (Fig. 17. b.), so erscheint er selten rund, meistens breit, sein Lumen ist an manchen Stellen wie quer gedrückt; die obere Wand des Canals ist glatt, oben ohne Einbug, die untere dagegen eingekerbt, so dass zwei Ausläufer nach unten gehen. Ist man so glücklich, den Canal der Länge nach bei Lon- gitudinal-Durchschnitten des Nerven zu öffnen, was sehr selten gelingt, so sieht man, dass derselbe einen ziemlich geraden Verlauf macht, dass seine Höhlung mehr breit als rund und nicht überall gleich ist, und dass sie je mehr nach dem in-
    traocularen Ende zu, um so enger wird. Zu Ende der Fötalzeit und wohl auch in dem ersten Lebensjahre habe ich den Ge- fässcanal am Ende des Sehnerven eine knieförmige Biegung machen sehen. (Decursus geniculatus foetalis Fig. 21 u. 22.) Auf dem intraocularen Ende des Sehnerven liegt die Canal- öffnung nicht ganz central und mehr in linearer als in runder Form. Das scheint uns dafür zu sprechen, dass ein gemeinschaftli- cher Canal des Sehnervenkörpers für die Gefässe desselben nicht existirt. Die centrale Arterie und Vene liegen bald näher bald entfernter, in der Mitte des Sehnerven an und von einander. Es hat aber jedes Gefäss für sich seine eigene Scheide; beide zusammen lagern nie in einer und derselben. Man sieht das deutlich auf Segmenten, die sehr verschiedene Durchschnitts- formen der Canalgegend wahrnehmen lassen (Fig. 14. 15. 16. 17.) und darthun, dass es sich um mancherlei Varietäten in der gegenseitigen Lagerung der Gefässe in Mitte des Sehner- venkörpers handelt, dass sie aber nicht in einem gemeinschaft- lichen Centralcanal lagern. Dass Lateralgefässe aus der Arteria centralis innerhalb des Körpers des optischen Nerven entsprin- gen, habe ich auf Durchschnitten desselben bisweilen gesehen j sie verlieren sich meistens in dem Parenchym des Sehnerven. Wenn sie sehr weit nach vorn im Bereich der Lamina cribrosa oder des Nervenkopfes selbst vom Hauptstamme abgehen, kön- nen sie wohl auch in die Choroidea treten und von da aus in die Netzhaut gelangen. Ich habe aber auch öfters beobachtet, dass ein Lateralast den Hauptstamm der Arteria centralis ver- liess, eine Strecke neben ihm verlief und dann wieder mit ihm sich vereinigte. Auf dem intraocularen Sehnervenkopfe kann man an einem in verdünnter Chromsäure gelegenen Auge, das getrocknet ist, und aus dem man vorher die Choroidea vor- sichtig entfernt hat, meistens sehr schön mit einer scharfen Loupe die Eintritts- und Austrittsstellen der Gefässe erkennen. Das intraoculare Ende des Nerven variirt aber sehr an Gestalt. Es gibt Augen, an deren intraocularem Nervenende sich eine Concavität befindet, andere und das ist meistens der Fall, wo das- selbe plan erscheint, ohne dass eine Art Papilla oder Conus vorhanden ist. Diese Stelle erscheint aber wohl auch durch den Austritt der Centralgefässe bisweilen erhaben gebildet; es rührt das aber nicht vom Sehnerven selbst her, weder von seiner Gestalt noch von einer Beweglichkeit desselben. Der Kopf des Sehnerven kann seine Lage nichtjändern. Es ist der
    ganze Sehnerv zu fest gelagert, um auf irgend eine Weise aus dieser Lage nach vorn gegen die Bulbocavität hin gescho- ben oder gehoben werden zu können, aber durch Turgescenz seiner vielen Gefässe auf und in dem intraocularen Ende kann er sich selbst scheinbar heben, wie er durch Säftemangel auch collabirt. Man kann zwar ein Hervortreten des Nervenendes gegen das Foramen sclerae scheinbar etwas befördern, wenn man die Sklera sammt Choroidea so umstülpt, dass das Fora- men* choroideae opticum concav nach aussen zu stehen kommt; es erscheint dann das Ende des Nerven etwas erhabener, aber ein wirkliches mit Locomotion verbundenes Hervortreten findet nicht statt; man sieht nur die intraoculare Stelle, die früher tief lag, dem beobachtenden Auge dann etwas näher gerückt; ein Hervortreten aus den nächsten Umgebungen ist nicht be- merkbar. Und doch ist eine konische Erhabenheit dort sicht- bar, Sie rührt von den Gefässen her. Will man sich die Anschauung verschaffen, dass die Ge- fässramificationen, welche auf dem intraocularen Ende des op- tischen Nerven inmitten des sie umgebenden Bindegewebes unter der Netzhaut liegen, bei eintretender Turgescenz Netz- haut und Bindegewebe über sich erheben und anspannen, und so die eigentliche erhabene Stelle, die sogenannte Papilla nervea bilden, so braucht man nur von einem menschlichen Auge den Fundus sclerae desselben, nach weggenommenem Glaskörper, umzustülpen. Was vorher concav war, wird jetzt convex. Dieses Verfahren, das man ohne alle Verletzung der zarten Membran bei einiger Uebung leicht ausführen kann, lässt auf einem solchen Präparate sehen, dass die dünne deckenarlige Membran der Netzhaut an der Stelle, die dem op- tischen Foramen des Auges entspricht, pyramidal sich erhebt, aber nur auf der Seite, wo die Ein- und Ausraündungsstelle der Gefässe liegt; die andere Seite, wo keine Gefässe liegen, er- scheint nicht erhöht (Fig. 13). Man ersieht hieraus, dass die Erhö- hungsstelle der Lagerung der Gefässe entspricht. Die bestimm- teren Contouren der pyramidalen Erhebung gibt die dünne durchsichtige Deckmembran der Gefässe und der Netzhaut. Es ist sonach das Wahrnehmen einer Papilla optica im lebendigen Auge durch den Augenspiegel nicht ein blosses optisches Phä- nomen, es ist diese Gestalt eine anatomische Wirklichkeit, die aber nicht von einer pyramidalen Gestaltung (Papilla) des in- traocularen Kopfendes des Nervus opticus herrührt, sondern von dem Convolut von Gefässen und von Bindegewebe, das
    dort sehr umfangreich ist, tief in dieser Gegend lagert und ziemlich hoch bei der Turgescenz der Gefässe sich erhebt. In manchen Fällen ist die Vena centralis so beschaffen, dass sie eine förmliche Kniebiegung bildet. In dieser Kniebiegung ist die Vene nicht selten erweitert. Ich sah das an einem äl- teren Spiritus-Präparate sehr deutlich, in dem alles Blut aus den Gefässen verschwunden war; hier waren die Venenwände durchsichtig geworden, und sie lagen so auf der Spjlze des Sehnervenkopfes, dass man letztere durch jene hindurch sehen konnte. Hierdurch wurde das hebende und haltende Verhält- niss der Gefässe, welches die Netzhaut zum Colliculus machte, recht einleuchtend. Es gelang mir öfters die Gefässverzwei- gungen von dem intraocularen Ende des Nervus opticus zu entfernen. Ich sah an ihnen eine eigenthümliche Verzweigung und eine eigenthümliche Gestaltung, die in Fig. 10 dargestellt ist. Bei der Loupeuntersuchung zeigten sich vorzüglich auf der Mitte der Gefässe und überhaupt auf den Ramificationen derselben viele Retinalelemente, namentlich radiäre Fasern und Nervenkugeln; diese hingen fest mit den Gefässconvoluten zu- sammen, und waren ausserdem mit einer Menge fadenförmigen Bindegewebes versehen, das sich beim Trocknen des Präpa- rates noch deutlicher zeigte. Das spricht entschieden für eine sehr tiefe Bettung der Gefässe innerhalb des Retinalparen- chyms, wenigstens an einzelnen Stellen. Die Gestalt des ar- teriös-venösen Gefässconvolutes, das auf und bisweilen bei vielfacher Capillarität auch innerhalb (Fig. 10., 11.) der Deck- membran der Cauda equina des Sehnerven lagert, verdient eine weitere Untersuchung. Dieselbe führt vielleicht, wenn das anatomische Verhällniss genauer eruirt sein wird, zur Erklä- rung mancherlei noch dunkel gebliebener physiologischer und pathologischer Erfahrungen in der venösen und arteriellen Blutbewegung auf der Netzhaut und auf dem intraocularen Seh- nervenende. Ich habe mich bemüht, den Gegenstand anato- misch weiter zu ergründen, es ist mir aber bisher nicht ge- lungen, zu bestimmten Resultaten zu gelangen. Es ist hier Täuschung so leicht möglich. Man entgeht ihr schwer und sei deshalb vorsichtig. So muss man z. B. sehr genau die Ver- bindung und Anastomosen der Gefässe des Nervus opticus un- terhalb seines intraocularen Endes mit Lateralgefässen der sehnigen Scheide auf der bisherigen Lamina cribrosa und des Skleralfundus im Auge behalten. Ich sah z. B. einmal Folgen- des: Die injicirte Arteria centralis lag in der Mitte des Nervus
    opticus. Auf einem Längendurchschnitt, der nicht ganz das Centrum getroffen hatte, gew'ahrte ich deutlich, dass in der Substanz des seitlich durchschnittenen Sehnerven beim Aus- tritt der Arteria centralis mehrere injicirte kleine Capillaren sich dort verzweigten, die jedoch mit der genannten Arterie in keiner Verbindung standen. Ausserdem vermochte ich auch nicht bestimmt die anatomische Varietät der Gefässgestalten und des Gefässverlaufes auf und in dem intraocularen Seh- nervenende immer zu bestimmen, so genau sich auch der Typus derselben gewöhnlich darzustellen pflegt. Es ist in die- ser Beziehung anatomisch noch Manches genauer zu erörtern, und wäre eine Monographie der Gefässe des Nervus opticus nach anatomischen Untersuchungen eine dankenswerthe Arbeit, an die ich hiedurch jüngere Kräfte verweise. So Wahres seit Michaelis bis auf D o n d e r s über diesen Gegenstand gesagt worden ist, es ist doch Vieles nicht klar und sattsam er- forscht. Die Angiologie des Sehnerven erwartet anatomisch, physiologisch und semiotisch noch weitere Forscher, aber nicht blos anatomische, sondern auch klinische und ophthalmosko- pirende. Durchschneidet man einen frischen Nervus opticus, den man aus der fibrösen Scheide herauspräparirt hat so, dass man durch einen Längenschnitt das äussere Dritttheil, oder wohl auch die Hälfte des Nervenkörpers entfernt, und lässt man das Segment an der Luft oder in der Wärme trocknen, so rollt es sich sehr bald nach innen zu auf, und es bildet sich eine Rinne aus dem Nervensegmente. Die im Sehnerven nach aussen liegenden Elemente bilden eine membranartige Masse, sind dichter gefügt, während die gegen das Centrum zu lie- genden optischen Fasern, mehr vereinzelt und isolirt, mehr selbstständig geformt, als einzelne Nerven auftreten. Im mitt- leren Theile des Sehnerven, der von dem Gefässcanal gebildet wird, hört die Nervenfaserung in dessen Nachbarschaft gänz- lich auf. Die Lagerung der optischen Nervenfasern selbst ist dabei eigenthümlich , es gehen deren mehre: e eine Strecke neben einander, vereinigen sich pyramidal, um sich dann zu weiten, von einander liegenden Gruppen wieder von einander zu entfernen. Solche Gruppen sind von membranösen Hüllen umgeben; diese Hüllen bilden Längensäcke, die spitz zu beiden Seiten endigen und in der Mitte dicker sind. Abtheilungen der Art legen sich dicht in einander, und lassen keine Inter- valle. In ihnen ruhen die eigentlichen Sehnervenfasern, die