Ueber die Umgestaltung der medicinischen Anschauungen in den letzten drei Jahrzehnten : Vortrag, gehalten in der zweiten öffentl. Sitzung der fünfzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu München am 18. September 1877 : nebst einem Vorwort, enthaltend die Entgegnung auf Virchow's Rede über Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat / von Edwin Klebs.

  • Klebs, Edwin Theodor Albrecht, 1834-1913.
Date:
1878
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Ueber die Umgestaltung der medicinischen Anschauungen in den letzten drei Jahrzehnten : Vortrag, gehalten in der zweiten öffentl. Sitzung der fünfzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu München am 18. September 1877 : nebst einem Vorwort, enthaltend die Entgegnung auf Virchow's Rede über Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat / von Edwin Klebs. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The Royal College of Surgeons of England. The original may be consulted at The Royal College of Surgeons of England.

    7/60 (page 5)
    Es ist gewiss liart, sich sagen lassen zu müssen, dass alles dasjenige, was man als das Endresultat langwieriger imd ernster physischer und geistiger Arbeit seinen Fachgenossen und den Freunden der Naturwissenschaften in feierlicher Sitzung vorlegt, eitel persönliche Liebhaberei sei. Gewiss hat der verehrte Redner, als er dieses Wort improvisirte, nicht daran gedacht, welche tief verletzende Bedeutung in dasselbe gelegt werden kann und, fast scheint es mir, gelegt werden mussl Mir wenigstens ist es nicht möglicb gewesen, über dasselbe fortzukommen, ohne eine Aus- einandersetzung herbeizuführen. Jedoch habe ich es verschoben, mich darüber zu äussern, bis der gedruckte Text vorlag. Es ist klar und bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass wissenschaftliche Arbeit ohne die Bildung von Hypothesen un- möglich ist. Es giebt sogar einige Leute, z. B. den alten Plinius, welche von der Majestät der Theorien geredet haben soll, wie neulich bei dem Tode Leverrier's hervorgehoben wurde. In der That, wo wäre die Entdeckung des Neptun, ebenso wie diejenige Amerikas, wenn nicht eine wissenschaftliche Theorie unabweislich zu derselben geführt hätte. Es ist unzweifelhaft, dass schon lange vor Columbus der neue Continent von Europäern aufgefunden worden ist. Aber es hatte diese Entdeckung keine Consequenzen, weil die Entdecker gar nicht die Bedeutung des Gefundenen ver- standen, aus Mangel einer kosmischen Theorie. Dass aber selbst eine in mancher Beziehung irrthümliche Theorie dennoch zu wah- ren Bereicherungen unserer Kenntnisse führen kann, lehrt gleich- falls die Entdeckung von Amerika, welches zunächst bekanntlich für Indien gehalten wurde, wohin man auf dem Westwege zu gelangen gehofft hatte, wie dies zuerst der Theoretiker Michel Behaim vorausgesagt. Es lässt sich nun andererseits nicht leugnen, dass durch irr- thümliche Theorien mannigfacher Schaden angestiftet werden mag, obwohl auch hierüber nicht alle Leute der gleichen Meinung sind; so hat z. B. Friedrich der Grosse eine kleine Abhandlung ge- schrieben unter dem Titel: „lieber die Unschädlichkeit der Geistes- Irrthümer, in welcher er seine zunächst paradox erscheinende Meinung mit dem Nachweis der Mangelhaftigkeit all unserer Er-