Ueber die Umgestaltung der medicinischen Anschauungen in den letzten drei Jahrzehnten : Vortrag, gehalten in der zweiten öffentl. Sitzung der fünfzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu München am 18. September 1877 : nebst einem Vorwort, enthaltend die Entgegnung auf Virchow's Rede über Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat / von Edwin Klebs.

  • Klebs, Edwin Theodor Albrecht, 1834-1913.
Date:
1878
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Credit: Ueber die Umgestaltung der medicinischen Anschauungen in den letzten drei Jahrzehnten : Vortrag, gehalten in der zweiten öffentl. Sitzung der fünfzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu München am 18. September 1877 : nebst einem Vorwort, enthaltend die Entgegnung auf Virchow's Rede über Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat / von Edwin Klebs. Source: Wellcome Collection.

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    Bestrebungen, welche auf dem Gebiete der Naturforschung eine allmälilicbe Fortentwicklung aller belebten Naturkorper aus ein- fachen zu mannigfaltigeren Formen nachzuweisen versuchten, so dürften diese wohl nicht leicht mehr abzuweisen sein, nachdem die daraus hervorgehende Lehre die reichsten Früchte getragen. Häckel hat ganz recht, wenn er meint, dass dasselbe Princip auch in anderen Gebieten geistigen Lebens Platz greifen würde und sei es mir gestattet, hier eine persönliche Erfahrung als Be- weis für die Richtigkeit dieser Voraussetzung anzuführen. Als ich, noch unter dem Eindruck der Mttnchener Vorgänge leidend, nach Hause zurückgekehrt war, wenig geneigt, nochmals in die Dis- cussion dieser Fragen einzutreten, hatte ich das Glück, einen Vor- trag von Geh. Rath Jhering in Göttingen zu hören, in welchem der berühmte Rechtslehrer das Wesen des Rechtsbegriffes erörterte und denselben als Resultat der jeweiligen Culturzustände darstellte, also als das Resultat eines Entwicklungsvorganges, welcher einen integrirenden Theil der Gesammtentwicklung des Menschenge- schlechts darstellt. Mir, der selbst einer Juristen - Familie ent- sprossen und der dieser Lieblingsbeschäftigung der Seinen nur wegen der vermeintlichen Starrheit des Rechtsbegriffes entsag-t hatte, war diese Auffassung neu und erfreulich überraschend; ich drückte deshalb bei einem fröhlichen Mahle dem Redner dieses Gefühl, welches seine Darstellung bei einem Jünger der Natur- wissenschaft hervorgerufen hatte, aus und betonte die hierdurch bestätigte Solidarität aller Forschung. Herr Jhering war so freund- lich, auf diesen Gesichtspunkt einzugehen und unter Anderem her- vorzuheben, wie er selbst überrascht gewesen sei, sich im Verlauf seiner Studien über den Gegenstand und ohne von Darwin eine Anregung empfangen zu haben, sich plötzlich der gleichartigen Richtung des Naturforschers und des Rechtsgelehrten bewusst zu werden. Mir scheint hieraus zu folgen, dass dasjenige, was wir in der Naturforschung jetzt als Darwinismus bezeichnen, nichts anderes ist, als ein alles organische Leben beherrschendes Princip, das mit derselben Nothwendigkeit aus dem Begriffe des Lebens folgt, wie die Grundgesetze der Zahlen aus dem Begriffe dieser hervorgehen.