Die mechanische Behandlung der Nervenkrankheiten : (Massage, Gymnastik, Übungstherapie, Sport) / von Toby Cohn.

  • Cohn, Toby, 1866-1929.
Date:
1913
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Credit: Die mechanische Behandlung der Nervenkrankheiten : (Massage, Gymnastik, Übungstherapie, Sport) / von Toby Cohn. Source: Wellcome Collection.

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    daß viele (man kann wohl sagen: die meisten) Laienmasseure sich wenigstens gelegentlich dazu hinreißen lassen, den Patienten auf ihre Klagen und Fragen statt der einzig richtigen Verweisung an den Arzt irgendwelche aus dem Abgrund ihrer volksmedizinischen Ignoranz geholten Antworten und Belehrungen zu geben (,,versetzte Blutknötchen“, ,,Blutstockungen“, „Wassersucht“, Gebrauch von „Pferdemark“ usw.), die den ärztlichen Auffassungen schnurstracks zuwiderlaufen und in ihrer halbnaiven Plumpheit grade bei Patienten mit funktionellen Nerven- krankheiten (Hysterischen, Hypochondern, Leuten mit Zwangsvorstel- lungen) nicht selten großen, hin und wieder selbst irreparablen Schaden anrichten. Sind das Gründe genug gegen die Laienmassage bei Nervenkrank- heiten, so kommt dazu als weiteres Moment die Tatsache, daß grade die Heilerfolge der Mechanotherapie (bei Nervenkrankheiten wie bei anderen Leiden) so allgemein anerkannte und in die Augen fallende sind, daß die Ärzte gewiß unrecht tun, diesen Teil der ärztlichen Tätig- keit aus den Händen zu geben und nichtärztlichen „Krankenbehandlern“ zu billigen Triumphen zu verhelfen. Und dabei fällt für den massie- renden Arzt aus der Massage noch ein weiterer Vorteil gleichsam als Zugabe mit ab. Man hat von jeher über die Masseure gespöttelt, die überall „Strängchen und Knötchen“ fühlen. Man braucht nicht auf dem Standpunkt von Cornelius zu stehen, der in der Mehrzahl der funktionellen Nervenkrankheiten und noch in vielen anderen palpable Knötchen findet, um diesen Spott als unberechtigt abzulehnen. Während des Massierens palpiert die Hand fortdauernd und unwillkürlich, und die Folge davon ist nicht nur ein leichteres Herausfinden etwaiger Ver- änderungen im speziellen Falle, sondern auch eine Hebung der Palpier- fähigkeit überhaupt, die dem Arzte für seine Tätigkeit auf anderen Ge- bieten zugute kommt x). Als Entschuldigungsgrund für die Unmöglichkeit der Abschaffung der Laienmassage wird in der Regel angeführt, Zeit und Kraft des Arztes seien zu kostbar, um für die Massage verwendet zu werden, zumal der Arzt sich mit der für den Laien ausreichenden Entschädigung seiner Lei- stung nicht begnügen könne. Dagegen läßt sich zurzeit wenig ein wenden, wenn auch als feststehend anzusehen ist, daß 1. richtig lokalisierte und dosierte Massage viel weniger Zeit und Kraft erfordert als die üb- liche Laienmassage, in der die mangelnde Qualität durch Quantität ersetzt zu werden pflegt, und daß 2. die Honorierung der Laienmassage, wenigstens in den Großstädten, oft nur unbeträchtlich hinter der durch- schnittlichen Honorierung ärztlicher Leistungen zurückbleibt. Wenn man das alles zusammenfaßt, so kommt man dazu, die Laien- massage nur als einen leider praktisch noch nicht zu beseitigenden Not- behelf anzusehen, dessen baldige Verdrängung durch ärztliche Arbeit sehr wünschenswert wäre. Vor allem ist zu fordern, daß sie auf diejenigen Fälle beschränkt bleibe, in denen von genauer Lokalisation abgesehen 1) Vgl. Toby Cohn, Vorwort zu „Die palpablen Gebilde des normalen menschlichen Körpers und deren methodische Palpation“ (s. Literaturverzeichnis).