Vorlesungen über Kinderkrankheiten : ein Handbuch für Aerzte und Studirende.
- Henoch, E. H. (Eduard Heinrich), 1820-1900.
- Date:
- 1897
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Credit: Vorlesungen über Kinderkrankheiten : ein Handbuch für Aerzte und Studirende. Source: Wellcome Collection.
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![Selbst das eifrigste Studium der Kindcrkra]ii<:liciten und die reiciiste H^rfahrung wird Ihnen schmerzliche Täuschungen in Bezug auf therapeu- iischo Erfolge nicht ersparen. Leider sind die Lebensbedingungen des früh (Ml Kindesalters derart, dass auch die rationellste und aufopferndste JjcJiandlung seiner Krankheiten in erschreckend vielen Fällen wirkungslos bleibt. Von jeher hat die überaus grosse Mortalität dieser Lebens- periode die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt und die all- gemeine Theilnahme auf sich gelenkt, ohne dass es bisher gelungen wäre, dieser furchtbaren Thatsache auf erfolgreiche Weise entgegenzu- treten. Die Statistik giebt uns unwiderlegbare Beweise dafür in die Hand, dass die Sterblichkeit der Kinder in den ersten Ijobensnionaten am stärksten ist, während des ganzen ersten Jahres noch immer die der späteren Jahre um mehr als das Doppelte übertrifft, nach dem zweiten Jahr allmälig abnimmt, und erst nach dem fünften die gewöhn- lichen Verhältnisse erreicht. Von 1000 Geborenen stirbt etwa der fünfte Theil im ersten Lebensjahr, während die allgemeine Mortalität der Bevölkerung sich etwa wie 25 : 1000 verhält. Meine eigenen Erfahrungen in der Kinderklinik des Charite-Krankenhauses ergaben für Kinder im ersten Halbjahr des Lebens eine Mortalität von 76 V2 pCt., in den ersten zwei Jahren etwa von 67 pCt. Es ergiebt sich daraus, dass junge Kinder, besonders kranke Säuglinge, in eigentlichen Krankenhäusern gar keine Aufnahme finden sollten, sondern nur in Anstalten, welche eine zweckmässige Ernährung durch Ammen zu bieten im Stande sind (sogen. Findelanstalten). Pium desiderium! Die enorme Mortalität der beiden ersten Lebensjahre, zumal der ersten sechs Monate, bei welcher freilich noch der elende Zustand der meisten aufgenommenen Kinder und die Hospitalluft in Anschlag zu bringen waren, erklärt sich theils aus der Entwickelung des Kindes, theils aus äusserlichen Verhältnissen. Mit der Geburt ist die Entwicke- lung des kindlichen Körpers keineswegs abgeschlossen, vielmehr vollziehen sich nach derselben, ganz abgesehen vom Wachsthum, noch wichtige Veränderungen im Organismus. Ich erinnere Sie an die Schliessung der fötalen Kanäle des Kreislaufs, die Scheidung der grauen und weissen Gehirnsubstanz, die Ausbildung des Darmdrüsensystems, den Durchbruch der Zähne, die weitere Entwickelung der peripherischen Nerveni) und das Wachsthum der Knochen, Processe, welche an sich schon geeignet sind, pathologische Veränderungen in den betreffenden Organen hervor- zurufen. Während nun die Kinder der bevorzugten Klassen unter der A. Westphal, Archiv f. Psych, etc. Bd. 26. II. 1.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21219084_0016.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)